Samstag, 28. März 2015

brandherde (2/2)


… meine schwiegermutter elba handelt mit schmuck. tag fuer tag klappert sie ihre kunden ab, stellt ihre neuen ohrstecker, ketten und ringe vor, verkauft und sammelt die ratenzahlungen ein. zu den vielen kaeufern gehoert unter anderem auch die besitzerin des kleinen lebensmittelmarkts um die ecke der wohnung von fernandas eltern. es war schon abend, als sich elba aufmachte, um die offene rechnung mit der dame des ladens zu begleichen. kurz erledigte man das geschäftliche. beide sprachen noch etwas ueber gott und die welt, als ploetzlich zwei maenner im alter von um die 40 rasant eintraten. in sekunden zogen sie die pistolen und forderten den inhalt der kasse. doch die kasse war leer. all das geld befand sich mittlerweile in elbas handtasche. gedemuetigt und von dem schatz der tasche nichts ahnend schossen die kerle ein paar mal in die decke und fluechteten. im taxi.
so ein erlebnis praegt. es traumatisiert die ladenbesitzerin und fernandas mutter. und es verunsichert eine ganze gesellschaft.


auch wenn ich selber hier vor vielen jahren schon beruehrungspunkte mit der kriminalitaet hatte, so runzle ich dennoch oft die stirn beim anblick all der abschottung auf den strassen. die zaeune der wohnhaeuser santiagos sehen furchterregend aus. in supermaerkten befinden sich zu manchen zeiten mehr sicherheitsbeauftragte mit schusssicheren westen als konsumenten. alkohollaeden werden per se abgeriegelt. man reicht dir die flasche bier durch das gitter und du ihnen das kleingeld. generell ist das einkaufen in den kleinen laeden aeusserst umstaendlich. erst waehlst du den artikel bei dem mitarbeiter. von ihm bekommst du eine quittung, mit der du zur kasse zwei meter gegenueber gehst und durch das kleine fenster der glasscheibe zahlst. hierfuer erhaelst du einen neuen zettel, mit dem du zum ersten kollegen zurueckkehrst. er ueberreicht dir dann schliesslich deinen kauf. und auch unsere wohnung ist abgeriegelt. am eingang prueft der wachmann jeden kommenden und gehenden. aufzuege werden mit der kamera ueberwacht. und die schluessel fuer den waschraum, fuer den fahrradkeller oder fuer die dachterasse bekomm ich nur auf anfrage ausgehaendigt.



alles beruht auf der angst vor dem uebergriff, aus eigener erfahrung, aus erzaehlungen oder aus den medien. schaut man hier die nachrichten, bekommt man das gefuehl, es ist pures glueck ueberhaupt noch zu leben. mir erscheint das oft zu paranoid. aber leider ist nichts erfunden. wenn auch viel ueberspitzt oder einseitig berichtet wird und nur lokal vorkommt, es bleiben reelle geschichten. schiessereien in vororten der hauptstadt. die vielen beschaedigungen der bankautomaten. tagtaegliche diebstaehle. neulich streikten sogar die sonst so abgeklaerten busfahrer in santiago waehrend des super-classicos der teams universidad de chile gegen colo colo. ihr problem: nach fussballspielen erleben sie regelmaessig ueberfaelle, vandalismus, drogenkonsum und gewalt in ihren gefaehrten. in manchen vierteln fragen die fahrer schon gar nicht mehr nach dem geld fuers ticket. sie kennen die gefahr der moeglichen reaktionen.
 
nun laesst es sich schwer ausmachen, worin genau die wurzeln all dieser aggressivitaet liegen. ob hier die gewalt eher der armut oder der erziehung entspringt, ob mehr sozialhilfe oder ob hoehere strafen die loesung des problems sein moegen. fakt ist und bleibt: manche stellen des landes sind ein gefaehrliches pflaster. die kriminalitaet ist nicht der einzige, auch nicht der dominante, sicher aber der duesterste teil von chiles realitaet. all die sicherheitsvorkehrungen haben ihre guten gruende und ihre berechtigung. zugleich foerdern sie aber auch ein atmosphaere der angst. und, ob man es nun als eine gute oder eine traurige nachricht versteht: chile ist nach nicaragua und panamá das drittsicherste land von ganz lateinamerika.

waehrend wir also das neue leben in der bunten stadt am meer in vollen zuegen geniessen, geschehen in unserem bekanntenkreis und umfeld ueberfaelle, suizid und todschlag. es brennt - gerade uebrigens schon wieder - in den huegeln valparaísos. im sueden bricht ein vulkan aus. im norden reissen ueberschwaemmungen in der sonst so trockenen atacama-region menschen in den tod. und auch die entfernten terroristische anschlaege oder der flugzeugabsturz in frankreich erleben wir emotional sehr nah. es gibt uns das gefuehl, als befaenden wir uns auf einer paradiesischen insel und saehen staunend zu, wie der wasserpegel steigt. uns lehren diese kontraste vor allem eines. das glueck ist jetzt. 

 

1 Kommentar:

  1. ähm, vielleicht überleg ich mir das nochmal mit dem besuch... :/

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