Freitag, 27. November 2015
Sonntag, 22. November 2015
gewiss ungewiss
europa steht in diesen wochen im zeichen des
terrors. noch viel fragiler ist der politische, soziale oder religioese frieden
auf anderen kontinenten. und auch in chile gibt es ausreichend anlass, mit einem
gefuehl der omnipraesenten ungewissheit zu ringen. erdbeben oder vulkane
bedrohen die bevoelkerung. raub und gewalt verschrecken die menschen. in manchen
stadtvierteln traegt man den dialog bevorzugt mit waffen aus. und nur ganz am
rande steht uebrigens auch chile auf der erorberungskarte des sogenannten is. doch
mehr als diese punktuellen gefahren mag die alltaegliche auseinandersetzung mit
der (drohnenden) armut viele buerger verunsichern. dabei muss sich eine gruppe
der chilenischen gesellschaft ganz
besonders mit ihrer vulnerabilitaet und finanziellen belastung arrangieren: es
sind die alternden menschen.
chile war 1980 das erste land weltweit, das
sein rentensystem privatisierte. im zuge der exzessiv wirtschaftsliberalen dikatur
pinochets legte man die verwaltung der sozialversicherung in die haende des
freien markts. seitdem gibt es die „administradoras de fondos de
pensiones“, kurz afp. das sind gewinnorientierte aktiengesellschaften, die im
auftrag des staats die rentenbeitraege der buerger verwalten. man kann
sich das etwa wie bei einem bankgeschaeft vorstellen. verschiedene anbieter werben
um dich und dein kapital. du ueberweist monatlich ca. 13% deines einkommens auf so
etwas wie ein persoenliches sparbuch. das institut verwaltet das geld fuer
dich und zahlt es spaeter anteilig bei renteneintritt wieder aus.
wer den prinzipien und mechanismen des
kapitalismus` nicht abgeneigt ist, wird die grundidee befuerworten:
verschiedene private unternehmen konkurrieren miteinander. du waehlst die afp
mit den besten vorzuegen fuer dich aus oder wechselst nach belieben den
anbieter. das hebt die leistungsfaehigkeit des systems, steigert die rendite und
senkt die verwaltungskosten. so bewerten es zumindest zahlreiche wirtschaftsexperten.
doch viele chilenen haben da eine ganz andere wahrnehmung. denn es wird kraeftig
gezockt und investiert, angelegt und gehandelt. mit deinem geld, deiner rente,
deiner zukunft. und manchmal kracht es auch.
gegenwaertig gibt es sechs
verwaltungsgesellschaften. geht eine pleite, interveniert der staat. er soll
das private rentensystem kontrollieren und regulieren. die durchschnittliche rente
betraegt in chile zur zeit etwa 750 €. seit den reformen 2008 unter bachelet wird
eine mindestrente in hoehe von etwa 120 € fuer jeden garantiert - egal, ob, wann
oder wie viel er in seinem leben eingezahlt hat. immerhin. andererseits: ich koennte damit
noch nicht einmal die haelfte unserer kaltmiete finanzieren.
doch vielleicht geht es gar nicht mal primaer um
die frage, ob die rente privat oder staatlich verwaltet werden soll. vielmehr sind es
die niedrigen loehne und damit auch mickrigen sozialbeitraege, die die maenner
mit 65 und frauen mit 60 jahren boese erwachen lassen. viele chilenen zahlen
deswegen auch nicht ein, obwohl es pflicht ist. lieber arbeiten sie im
informellen sektor und sorgen selber vor, mit dem kauf eines hauses, mit einem
privaten geschaeft oder mit kindern. was waere die chilenische gesellschaft nur
ohne ihre solidarischen familienbezuege?
armut, naturkatastrophen oder anschlaege - es
gibt viele gruende zur ungewissheit. denn trotz vorsorge und vorsicht, antizipation
und glueck: nichts ist sicher. nicht in chile, nicht in europa und erst recht
nicht anderswo. aber war es das je? am ende bleibt
uns doch vor allem nur eines: das hier und jetzt.
Samstag, 21. November 2015
Mittwoch, 18. November 2015
der klang vom ende der welt (4)
portavoz, ein sehr politischer rapper mit viel
systemkritik und diesem wunderschoen authentischen video aus santiago
dj manuvers – der geborene chilene verbrachte
die meiste zeit seines lebens in den usa und begleitet mit seinen platten ein
breites feld an kuenstlern des hip hop. hier mit einem video aus barcelona…
der santiaguino rafael pérez alias dj raff widmet
sich als produzent und dj in erster linie dem sprechgesang und der
elektronischen musik und ist in der szene global bekannt.
Mittwoch, 11. November 2015
arm oder frei? (2/2)
...ein paar zahlen:
- 5,6 millionen hunde leben in chile. damit
kommt auf jeden dritten buerger ein hund. zum vergleich: in deutschland sind es
ein paar hunderttausend hunde weniger, bei einer knapp fuenfmal so grossen
bevoelkerung.
- die haelfte der hunde in chile sind
haustiere. 25% haben einen besitzer, leben jedoch ausserhalb der eigenen vier
waende und schauen nur ab und an mal zuhause vorbei. und das uebrige viertel,
also mehr als eine million, sind reine strassenhunde.
- santiago
ist eine der staedte mit den meisten frei umherstreuenden hunden weltweit.
- im schnitt werden pro monat gut 4.000 personen in chile von einem koeter gebissen. und das sind nur die
gemeldeten faelle. oft greifen aber nicht strassenhunde an sondern die
aggressiven haustiere.
strassenhunde sind in chile also sehr
zahlreich und sie stellen leider oft eine gefahr fuer ihre umwelt dar. zugleich
macht sie ihre ausgestossene situation auch zu opfern, sie leiden unter ihrer
armut, dem nahrungsmangel, den gefahren auf der strasse, den uebergriffen und
quaelereien von menschen. und sie leiden an krankeiten. an kraetze und infektionen,
parasitenbefall, tollwut und tetanus. nur 21 % der chilenischen hunde sind
ausreichend geimpft.
mir stellt sich hier oft die frage: was ist das
schicksal des hundes? wie sehr braucht er eigentlich einen besitzer? ist seine natur
wirklich fuer den menschen bestimmt oder gehoert er raus? mit meinen
eindruecken von hungrigen, verrohrt aggressiven oder blutenden koetern verblasst
jedenfalls ein wenig dieses romantisierte bild des autonomen, selbstbestimmten und
friedvollen lebens der chilenischen strassenhunde. denn: liegt der grosse
vierbeiner nun im schatten der mittagssonne, weil er das genuegsame leben
geniesst oder weil er unterernaehrt, kraftlos und todkrank ist? bellt er nur
oder wird er bald das bein eines unvorsichtigen kindes hungrig ergreifen?
schlendert er gemuetlich durch die stadt oder erwischt ihn das naechste auto?
was ist der richtige platz fuer den hund?
nun. und von den vielen katzen hier haben wir da
noch gar nicht gesprochen… hach…
auch ich hab hier mittlerweile so etwas wie
einen vierbeinigen freund gefunden. auf dem weg zu meinem liebsten aussichtspunkt
der stadt nahe unserer wohnung, der paseo 21 de mayo, treffe ich ab und an
meinen schwarzen kollegen. anfangs versuchte fernanda ihn lautstark und mit
nicht jugendfreier sprache zu verscheuchen. denn hast du einmal so einen hund
an der backe, bringt dir das oft probleme. er folgt dir, laeuft in deine beine,
betritt mit dir das gebiet seiner konkurrenten, der streit beginnt. und du bist
mittendrin. aber mein ruhiger gefaehrte ist aeusserst zurueckhaltend und liebenswuerdig.
er ist einfach nur dabei, bis sich irgendwann unsere wege wieder trennen.
neulich kamen wir mit ihm vor unserem haus an. fernanda und ich gingen durch
das tor. und mein schwarzer freund blieb einsam stehen und schaute uns mit
grossen augen nach. ist er arm dran oder frei?
Samstag, 7. November 2015
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