Mittwoch, 11. November 2015

arm oder frei? (2/2)



...ein paar zahlen:

- 5,6 millionen hunde leben in chile. damit kommt auf jeden dritten buerger ein hund. zum vergleich: in deutschland sind es ein paar hunderttausend hunde weniger, bei einer knapp fuenfmal so grossen bevoelkerung.
- die haelfte der hunde in chile sind haustiere. 25% haben einen besitzer, leben jedoch ausserhalb der eigenen vier waende und schauen nur ab und an mal zuhause vorbei. und das uebrige viertel, also mehr als eine million, sind reine strassenhunde.
 - santiago ist eine der staedte mit den meisten frei umherstreuenden hunden weltweit.
- im schnitt werden pro monat gut 4.000 personen in chile von einem koeter gebissen. und das sind nur die gemeldeten faelle. oft greifen aber nicht strassenhunde an sondern die aggressiven haustiere.


strassenhunde sind in chile also sehr zahlreich und sie stellen leider oft eine gefahr fuer ihre umwelt dar. zugleich macht sie ihre ausgestossene situation auch zu opfern, sie leiden unter ihrer armut, dem nahrungsmangel, den gefahren auf der strasse, den uebergriffen und quaelereien von menschen. und sie leiden an krankeiten. an kraetze und infektionen, parasitenbefall, tollwut und tetanus. nur 21 % der chilenischen hunde sind ausreichend geimpft.


nun interveniert der staat. strassenkoeter werden geimpft und sterilisiert. anfang des jahres fuehrte die regierung sogar ein umstrittenes gesetz ein, das das jagen und toeten von wilden hunden auf dem land legalisierte. nach hitzigen diskussionen wurde die neue regelung aber kurz darauf wieder ausser kraft gesetzt, besonders auch wegen der missbrauchsgefahr. die bemuehungen und eingriffe sind alles in allem nur tropfen auf dem heissen stein, nur punktuell, nicht flaechendeckend.


mir stellt sich hier oft die frage: was ist das schicksal des hundes? wie sehr braucht er eigentlich einen besitzer? ist seine natur wirklich fuer den menschen bestimmt oder gehoert er raus? mit meinen eindruecken von hungrigen, verrohrt aggressiven oder blutenden koetern verblasst jedenfalls ein wenig dieses romantisierte bild des autonomen, selbstbestimmten und friedvollen lebens der chilenischen strassenhunde. denn: liegt der grosse vierbeiner nun im schatten der mittagssonne, weil er das genuegsame leben geniesst oder weil er unterernaehrt, kraftlos und todkrank ist? bellt er nur oder wird er bald das bein eines unvorsichtigen kindes hungrig ergreifen? schlendert er gemuetlich durch die stadt oder erwischt ihn das naechste auto? was ist der richtige platz fuer den hund?
 
nun. und von den vielen katzen hier haben wir da noch gar nicht gesprochen… hach…


auch ich hab hier mittlerweile so etwas wie einen vierbeinigen freund gefunden. auf dem weg zu meinem liebsten aussichtspunkt der stadt nahe unserer wohnung, der paseo 21 de mayo, treffe ich ab und an meinen schwarzen kollegen. anfangs versuchte fernanda ihn lautstark und mit nicht jugendfreier sprache zu verscheuchen. denn hast du einmal so einen hund an der backe, bringt dir das oft probleme. er folgt dir, laeuft in deine beine, betritt mit dir das gebiet seiner konkurrenten, der streit beginnt. und du bist mittendrin. aber mein ruhiger gefaehrte ist aeusserst zurueckhaltend und liebenswuerdig. er ist einfach nur dabei, bis sich irgendwann unsere wege wieder trennen. neulich kamen wir mit ihm vor unserem haus an. fernanda und ich gingen durch das tor. und mein schwarzer freund blieb einsam stehen und schaute uns mit grossen augen nach. ist er arm dran oder frei?

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