ich sass gerade mit unserer guten freundin jenni auf den
felsen. wir blickten auf das meer, die sonne vor uns ging unter, eine ratte
huschte immer wieder verwirrt vorbei.
der freitagabend klang ein, als ploetzlich eine maechtige, rotschimmernde
wolke hinter uns aufzog. ich ging davon aus, dass wir nun unseren ersten regen
in valparaíso erleben werden. bis mir klar wurde, dass es sich hier um keine
wolken handelt, sondern um rauch. auf valparaísos huegeln brannte es wieder.
vergangenes jahr im april erlebte die region einen
grossbrand mit 15 toten, ueber zehntausend menschen wurden obdachlos, die
materiellen verluste waren erheblich. fernanda
organisierte damals mit freunden eine gross angelegte spendenaktionen in muenster fuer die betroffenen. nun deutete
sich eine wiederholung dieser misere an. wie die stadt ueberdies schon so
haeufig von feuerbrunsten bedroht war. aus etwa 30 kilometer entfernung zog der
russ auf und an unserer wohnung vorbei. es roch
verbrannt. die hauptverkehrsader wurde gesperrt. sirenen klangen durch die
nacht.
rauchschwaden ueber der stadt |
etwas irritiert fragte ich mich, wie das eigentlich sein
kann. warum brennt es hier so oft? sicher, es ist waldig, die sonne scheint
intensiv, der wind weht rau und das loeschen auf den huegeln ist nicht einfach.
dennoch: wieso steht man jedes jahr aufs neue scheinbar machtlos vor den
gleichen problemen? ich schaltete den fernseher an, um mehr zu erfahren. der
meistgesehene kanal chiles, MEGA, brachte eine sondersendung zu den neun aus
dem feuer geretteten hundewelpen. fortsetzungen dazu folgten die naechsten tage
auch auf anderen sendern. an anderer stelle fand ich trotzdem ein paar
antworten.
ausloeser des feuers war wahrscheinlich brennender muell in
den trockenen waeldern. man vermutet, es handelte sich um einen noch heissen
grill. die entsorgung des muells ist eines der zentralen probleme, die immer
wieder zu braenden auf den vornehmlich von aermeren menschen bewohnten huegeln
fuehren. alte fernsehgeraete, lebensmittel, matratzen oder reifen werden
einfach die haenge heruntergeworfen. ganze 170 solcher illegalen
micro-muellhalden existieren in der nahen umgebung und erhoehen signifikant das
risiko eines brandes. viele anwohner beklagen das unverantwortliche,
unhygienische und eben auch gefaehrliche verhalten ihrer nachbarn. andererseits
mangelt es an alternativen. wohnungsnahe muellabfuhr und muellhalden fehlen dort
oft. und auch im umgang mit den braenden, in der bereitstellung geeigneter
loeschwerkzeuge und der foerderung der feuerwehr scheint es defizite zu geben.
nach wenigen tagen hatte man den brand gluecklicherweise im
griff und die schaeden hielten sich in grenzen. etwa 7.000 menschen konnten in
ihre wohnungen zurueckkehren. eigentlich wollte man 16.000 leute evakuieren.
doch ueber die haelfte von ihnen folgte dem aufruf nicht aus angst, ihr heim
wuerde waehrenddessen von kriminellen leergeraeumt werden. und das nicht ganz
ohne grund, weil das in chile immer wieder bei solchen katastrophen vorgekommen
ist. nun lief das militaer patroullie in den brandgebieten, um genau solche diebstaehle
zu unterbinden.
die braende auf den armen huegeln valparaísos zeigen auch
sehr klar auf, wie armut, bildung, kriminalitaet und gewalt korrelieren. wie
sie eine symbiose bilden und die betroffenen und ihre familien in einen sog der
schlechten chancen ziehen. meinen muellbeutel werfe ich in den schacht meiner
etage. den rest erledigt das personal des hauses, das alles sauber haelt, wache
schiebt und mir einen gegenwaertig ruhigen alltag bereitstellt. versicherungen
und finanzielle ruecklagen decken alle anderen wesentlichen sorgen. von hygienebedingten
krankheiten, erdbebenverursachten schaeden, von braenden oder einbruechen sind
auch wir nicht ganz gefeit, kommen bestimmt aber erst ganz am ende dran. unsere
nachbarn sind stattdessen bei jedem vorfall von einem totalverlust bedroht und
muessen von vorne anfangen. du kannst also glueck haben oder pech mit deinen
voraussetzungen. hast du aber erst mal pech, kommst du hier nur ganz schwer
raus.
und das macht was mit dir. nur so kann ich mir die verrohung
erklaeren, die sich in manchen gegenden chiles so ballt, die die bevoelkerung
beaengstigt und die nachrichten beherrscht. fernandas mutter wurde nun zeugin dieser
gesellschaftlichen krankheit und erfuhr die gefahren der sozialen misere am
eigenen leib…
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