Samstag, 21. März 2015

brandherde (1/2)



ich sass gerade mit unserer guten freundin jenni auf den felsen. wir blickten auf das meer, die sonne vor uns ging unter, eine ratte huschte immer wieder verwirrt vorbei. der freitagabend klang ein, als ploetzlich eine maechtige, rotschimmernde wolke hinter uns aufzog. ich ging davon aus, dass wir nun unseren ersten regen in valparaíso erleben werden. bis mir klar wurde, dass es sich hier um keine wolken handelt, sondern um rauch. auf valparaísos huegeln brannte es wieder.
vergangenes jahr im april erlebte die region einen grossbrand mit 15 toten, ueber zehntausend menschen wurden obdachlos, die materiellen verluste waren erheblich. fernanda organisierte damals mit freunden eine gross angelegte spendenaktionen in muenster fuer die betroffenen. nun deutete sich eine wiederholung dieser misere an. wie die stadt ueberdies schon so haeufig von feuerbrunsten bedroht war. aus etwa 30 kilometer entfernung zog der russ auf und an unserer wohnung vorbei. es roch verbrannt. die hauptverkehrsader wurde gesperrt. sirenen klangen durch die nacht. 


rauchschwaden ueber der stadt
etwas irritiert fragte ich mich, wie das eigentlich sein kann. warum brennt es hier so oft? sicher, es ist waldig, die sonne scheint intensiv, der wind weht rau und das loeschen auf den huegeln ist nicht einfach. dennoch: wieso steht man jedes jahr aufs neue scheinbar machtlos vor den gleichen problemen? ich schaltete den fernseher an, um mehr zu erfahren. der meistgesehene kanal chiles, MEGA, brachte eine sondersendung zu den neun aus dem feuer geretteten hundewelpen. fortsetzungen dazu folgten die naechsten tage auch auf anderen sendern. an anderer stelle fand ich trotzdem ein paar antworten.
ausloeser des feuers war wahrscheinlich brennender muell in den trockenen waeldern. man vermutet, es handelte sich um einen noch heissen grill. die entsorgung des muells ist eines der zentralen probleme, die immer wieder zu braenden auf den vornehmlich von aermeren menschen bewohnten huegeln fuehren. alte fernsehgeraete, lebensmittel, matratzen oder reifen werden einfach die haenge heruntergeworfen. ganze 170 solcher illegalen micro-muellhalden existieren in der nahen umgebung und erhoehen signifikant das risiko eines brandes. viele anwohner beklagen das unverantwortliche, unhygienische und eben auch gefaehrliche verhalten ihrer nachbarn. andererseits mangelt es an alternativen. wohnungsnahe muellabfuhr und muellhalden fehlen dort oft. und auch im umgang mit den braenden, in der bereitstellung geeigneter loeschwerkzeuge und der foerderung der feuerwehr scheint es defizite zu geben.  
nach wenigen tagen hatte man den brand gluecklicherweise im griff und die schaeden hielten sich in grenzen. etwa 7.000 menschen konnten in ihre wohnungen zurueckkehren. eigentlich wollte man 16.000 leute evakuieren. doch ueber die haelfte von ihnen folgte dem aufruf nicht aus angst, ihr heim wuerde waehrenddessen von kriminellen leergeraeumt werden. und das nicht ganz ohne grund, weil das in chile immer wieder bei solchen katastrophen vorgekommen ist. nun lief das militaer patroullie in den brandgebieten, um genau solche diebstaehle zu unterbinden. 


die braende auf den armen huegeln valparaísos zeigen auch sehr klar auf, wie armut, bildung, kriminalitaet und gewalt korrelieren. wie sie eine symbiose bilden und die betroffenen und ihre familien in einen sog der schlechten chancen ziehen. meinen muellbeutel werfe ich in den schacht meiner etage. den rest erledigt das personal des hauses, das alles sauber haelt, wache schiebt und mir einen gegenwaertig ruhigen alltag bereitstellt. versicherungen und finanzielle ruecklagen decken alle anderen wesentlichen sorgen. von hygienebedingten krankheiten, erdbebenverursachten schaeden, von braenden oder einbruechen sind auch wir nicht ganz gefeit, kommen bestimmt aber erst ganz am ende dran. unsere nachbarn sind stattdessen bei jedem vorfall von einem totalverlust bedroht und muessen von vorne anfangen. du kannst also glueck haben oder pech mit deinen voraussetzungen. hast du aber erst mal pech, kommst du hier nur ganz schwer raus.
und das macht was mit dir. nur so kann ich mir die verrohung erklaeren, die sich in manchen gegenden chiles so ballt, die die bevoelkerung beaengstigt und die nachrichten beherrscht. fernandas mutter wurde nun zeugin dieser gesellschaftlichen krankheit und erfuhr die gefahren der sozialen misere am eigenen leib…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen