Mittwoch, 13. Mai 2015

warten (2/2)


... waehrend uns an den wochentagen die bewerbungsmaschinerie und das zaehe warten auf antworten fest im griff hat, versuchen wir an den wochenenden weiter rauszukommen und die vielen stunden vor dem rechner mit der tollen natur, kultur und mit freunden zu kompensieren. so setzen wir uns in den bus und fahren ins umland, lernen fischerdoerfer kennen, widmen uns valparaísos kunst und museenlandschaft, gehen in parks, treffen alte bekannte und besuchen santiago.







bei unserem letzten gemeinsamen aufenthalt in der hauptstadt stand ein besonderer anlass an. ich durfte zum ersten mal einer chilenischen trauung beiwohnen. eine cousine von fernanda heiratete. wobei… da geht es schon los. cousine, tante, onkel, so nennt man hier jeden, den man irgendwie gern hat und mit dem man in einer nicht mal zwingend verwandtschaftlichen beziehung steht. bei dem zahlenreichen umfang einer traditionellen chilenischen familie wissen ihre mitglieder oft auch nicht mehr so genau, wo lang eigentlich die aeste ihres stammbaums zum anderen fuehren. nun hatte man uns also recht kurzfristig zur trauung einer „cousine“ eingeladen. es war sonntagmorgen und langsam zeit loszufahren, die wege in santiago sind lang und die strassen oft voll. 


allmaehlich holte mich die innere unruhe ein, waehrend schwiegermutter und toechter sich nochmal und nochmal und nochmal umkleideten und gegenseitig berieten. schwiegervater fernando kennt den wusel. schweigsam rauchte er seine zigarette im hof, waehrend ich nervoes den kopf schuettelte und die uhr im blick behielt. fast auf die minute schafften wir es doch noch puenktlich zur kirche im zentrum. und waren so ziemlich die ersten. eine gute halbe stunde spaeter oeffneten die tueren und wir setzten uns. warteten noch eine halbe stunde. waehrenddessen wurde auch die familie hinter uns ungeduldig. und hungrig. einer von ihnen erklaerte sich bereit zum laden nebenan zu gehen. eine weitere halbe stunde spaeter war es nun endlich soweit. und noch als die braut majestätisch eintrat, verzehrten unsere nachbarn die letzten reste ihres snacks und reichten die raschelnde chipstuete weiter. es folgte eine sehr bibelorientierte zeremonie, die von eine schaar an professionellen fotografen und all den smartphonebesitzern festgehalten wurde. das frisch getraute paar schritt schliesslich durch den gang nach draussen und empfing all die glueckwuensche und einen regen aus buntem reis vor dem tor der kirche. das gemisch aus tradition, konservativen werten und modernem lebensstil hinterliess mich irritiert. und die kirche mit einer bank voller chipskruemel.



in anbetracht unserer bunten neuen heimat und des vielseitigen geschehens in unserem alltag fuehlen wir uns alles in allem von einer sehr anregenden, lebendigen und spannenden szenerie umgeben. ein paradies, um sich nicht in den von zweifel und sorge gepraegten faengen der jobsuche zu verlieren. ich denke oft: arbeitslosigkeit ist echt scheisse. aber es gibt wohl keinen besseren ort als diesen, um arbeitslos zu sein. und: vielleicht mag das warten auch helfen ganz und gar anzukommen.

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