Dienstag, 7. April 2015

soziale arbeit



ich hab die fruehschicht. halb sieben klingelt der wecker. mit einem kaffee setz ich mich auf die couch neben dem fenster, blick auf den rauschenden ozean und mach ruhige musik an. dann geht’s an die arbeit. ich durchforste die vier, fuenf suchmaschinen nach neuen stellen, beantworte muehsam offenen mailverkehr mit vertretern interessanter arbeitgeber, aktualisiere das bewerbungsmaterial, such nach neuen adressen. waehrenddessen geht die sonne auf und der leuchtturm aus, das militaer hisst die chilenische flagge, ein grosses kriegsschiff oder auch mal ein frachter mit hamburg-sued-containern faehrt vorbei. 


wenn fernanda vom sport zurueckkommt, leg ich die sachen beiseite. wir fruehstuecken, dann setzen wir uns gemeinsam an den arbeitstisch. die wichtigen von mir verfassten wortwechsel werden nochmal gegengelesen, korrigiert, manchmal auch auseinandergenommen und umformuliert. ernuechtert von meinen sprachlichen defiziten schick ich dann die naechsten bewerbungen ab und mach feierabend. jetzt ist fernanda dran. ich ueberreich ihr den computer und geh ans meer. fahr mit dem rad in die stadt, lese oder uebe vokabeln. am fruehen abend finden wir uns wieder zusammen und blicken dem sonnenuntergang entgegen. 
es ist eine merkwuerdige zeit. wahrscheinlich waren wir noch nie so frei, konnten unter so guten voraussetzungen so ungezwungen und flexibel leben wie in diesen wochen. und doch fehlt uns etwas. ja. uns fehlt die arbeit. 


fernanda ist sozialpaedagogin, ich bin heilpaedagoge, uns beide packt die soziale arbeit. besonders fernanda verspuert nach den vielen jahren des studiums in santiago und muenster die grosse sehnsucht, nun endlich ganz klassisch ihre profession auszuueben. und gerade in unserer neuen heimat gibt es auch mehr als genug handlungsfelder, die nur so nach interventionen schreien. eine gute anstellung zu finden, steht aber auf einem ganz anderen blatt. zunaechst einmal haben wir probleme mit den papieren. ich hab das gefuehl, dass wir mit unseren deutschen titeln und erfahrungen fuer viele institutionen sehr interessant sind. doch am ende haben zahlreiche, auch nicht-staatliche, einrichtungen ihre gesetzlichen vorgaben, wer mit welchen qualifikationen bei ihnen arbeiten darf. das verlangt chilenische zertifikate. wir muessten unsere abschluesse bei der nationalen universidad de chile abgleichen lassen. und das ist eine unglaubliche tortur (dauert viele monate, ist teuer, verlangt mitunter die wiederholung von seminaren, pruefungen und diplomarbeit, alles wohlgemerkt ergebnisoffen). zum anderen bringt uns der stand unserer profession in eine sackgasse. ich behaupte mal, dass es keinen ort auf der welt gibt, an dem soziale arbeit wirklich die gleiche anerkennung bekommt wie andere akademische berufe. so auch in chile. nur eben noch viel schaerfer. ein grossteil unserer potentiellen arbeitgeber sind nicht-regierungs-organisationen, die auf spenden angewiesen sind. das niedrige gehalt erklaert sich von selbst. und in staatlichen einrichtungen sind die mittel aehnlich begrenzt. so uebrigens auch im schulsystem. mein lehrer-freund pablo erzaehlte mir, dass das einstiegsgehalt von lehrern bei etwa 750 euro liegt. vollzeit. das ist wohl auch der grund, warum der studiengang des lehramts einer der einzigen kostenfreien des landes ist.
weil haeufig vermutet wird, dass dafuer die ausgaben in chile entsprechend geringer sind: dem ist nur bedingt so. gemuese, benzin und transport, miete oder die handwerkerstunde moegen billiger sein. aber wasser und strom, der grosseinkauf im supermarkt, die telefonrechnung, bankgeschaefte und der besuch des schwimmbads, vor allem aber bildung und gesundheit: all das kostet in chile genauso viel und oft auch entschieden mehr. de facto liegen unsere ausgaben im durchschnitt nicht weit unter denen in muenster. und genau das macht das niedrige niveau der gehaelter so erdrueckend.


wir stellen uns deswegen breit auf, bewerben uns bei sozialen institutionen aber eben auch im privaten dienstleistungssektor, bei sprachschulen, universitaeten oder bei der deutsch-chilenischen handelskammer. und wir versuchen beziehungen zu knuepfen, die sind hier besonders viel wert. drei weitere bewerbungsgesprache liegen mittlerweile hinter mir. solche formellen vorstellungen gehoeren nun nicht gerade zu meinen heissbluetigsten hobbies. noch weniger spass finde ich daran in spanischer sprache. entsprechend schweissgebadet hinterliessen mich die einladungen, waehrend der frische herbstwind durch die strassen zog und mich erstmal fuer mittlerweile knapp zwei wochen mit ner grippe flachlegte. zumindest ein, zwei heisse eisen liegen nun aber im feuer. doch dazu mehr, wenn etwas schwarz auf weiss ist.

1 Kommentar:

  1. wie könnt ihr die beziehungen herstellen, die euch bei der stellenfindung weiterhelfen können ??

    frage von JFB

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