Sonntag, 3. Januar 2016

licht und schatten (2/2)



... weihnachten. zeit fuer besinnlichkeit, harmonie und einkehr. wobei: wirklich geruhsam geht es in diesen tagen eher nicht zu. wie auch in deutschland sind die strassen voll, der trubel anstrengend, der konsumrausch gross. und die warme jahreszeit verleitet zu feierlaune. doch trotz der vielen sonne und hitze orientiert sich der weihnachtskult in chile voll und ganz an den traditionen europas und der usa. tannenbaeume aus plastik stehen in den einkaufshaeusern und wohnungen. sie sind verziert mit kuenstlichem schnee. aehnlich winterlich ist die atmosphaere auf geschenkpapier und grusskarten. vor den geschaeften stehen die armen weihnachtsmaenner - dick eingepackt im roten pelzmantel. und das abendliche lichtermeer der huegel valparaísos blinkt nun ueberall blau, rot und gelb.


wie man zu der weihnachtlichen festgestaltung stehen mag, ist eine frage des individuellen geschmacks. doch stil hin oder her: auf mich wirkt vieles aufgestuelpt, nicht ganz passend zu chile. stellt euch vor, im kalten und dunklen deutschland wuerde man sich zu weihnachten strandkarten schicken, eine kuenstliche palme im wohnzimmer aufbauen und geschenke in den sand legen. ich war jedenfalls ganz froh, dass man sich auch in diesen belangen dem hiesigen motto treu blieb: man liess sich zeit und begann erst spaet mit dem dekorieren. 


richtige weihnachtsstimmung kam bei mir erst auf, als fernanda und ich das fest am vortag des heiligen abends zu zweit feierten und dabei besonders auch mir zuliebe raum fuer deutsche tradtionen schafften. die chilenische weihnachtszeremonie verbrachten wir schliesslich bei der familie in santiago. nicht wenige erledigen erst heute, am 24. dezember, die einkaeufe fuer ihre liebsten. wie ueblich kommt gegen 20 uhr nur noch wenig wasser aus den leitungen, weil sich alle bewohner der stadt zu dieser zeit duschen wollen und schick machen. anschliessend verbringen viele den lauen sommerabend in ihren gaerten, grillen, trinken, lachen. und besonders die kinder zaehlen uebermuedet die fehlenden stunden bis mitternacht, der grosse moment der bescherung. punkt null uhr werden die geschenke unter dem christbaum aufgerissen. vereinzelt ertoent feuerwerk. und die nacht klingt vielerorts ruhig aus, waehrend anderswo jetzt die grosse fiesta mit cumbia, salsa und reggaeton beginnt.


eine woche spaeter pilgert ein meer an menschen nach valparaíso, um das sagenumworbene und beruehmte feuerwerk der region zu bestaunen. auch wir hatten die familie zu gast und die wohnung brechend voll. das lichterbad ueber dem ozean ist bezaubernd und die stimmung auf den strassen herzlich und friedvoll. nach meinem geschmack liegt hier zu silvester weniger aggression in der luft als in deutschland - vielleicht auch, weil das private knallen streng verboten ist, man sich weniger der pyrotechnik und mehr der familie widmet. und da es an der kueste so schoen ist, die sonne scheint, die ferien beginnen, geht die feier an den naechsten tagen fuer viele gleich weiter. 


 es ist fuer uns eine besondere zeit. fernanda verbringt nach 10 jahren diese feiertage zum ersten mal wieder in chile bei ihrer familie. diesen augenblick sehnte sie sich damals ab und an sehr herbei. dafuer bin nun ich weit weg von der urspruenglichen heimat. und vermisse sie. mein chilenisches umfeld ist herzlich zu mir, gibt mir ein gefuehl von zu hause. doch laesst sich vieles einfach nicht ersetzen. es ist und bleibt ein teurer preis - die distanz zur familie und zu freunden, zu geschaetzten plaetzen und geliebten riten; das dilemma, mit dem sich migranten immer wieder und ganz besonders zu familienfesten arrangieren muessen: ein gespaltenes leben. licht und schatten.

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