Samstag, 9. Januar 2016

die deutschen


im zuge der spanischen kolonialisierung landeten die ersten deutschen in chile. spaeter, anfang und mitte des 19. jahrhunderts, begannen sich deutsche kaufleute vor allem in der region valparaísos anzusiedeln. mit dem scheitern der deutschen revolution 1848/49 brachen wiederum etliche deutsche familien auf und suchten ihr glueck in der fremden heimat und menschenleeren umgebung suedchiles. ihnen folgten jahrzehnte spaeter deutsche juden und politische fluechtlinge vor und waehrend des zweiten weltkrieges. als der krieg endete, zog es ihre einstigen gegner, die nazis, in das suedamerikanische exil. und eine weitere welle der einwanderung aus deutschland erwartete chile 1990 mit dem ende der diktatur unter pinochet und der rueckkehr der exilchilenen - sowie der migration manch eines strippenziehers der ehemaligen ddr...

wenn man sich die geschichte anschaut, ist die deutschstaemmige bevoelkerung chiles ein sehr bunter haufen. gut 7.000 deutsche leben gegenwaertig hier. nach spanisch und mapudungun ist deutsch die am dritthaeufigsten gesprochene sprache des landes. etwa 500.000 chilenen haben deutsche verbindungen in ihrem stammbaum. ihre vorfahren waren freiheitssuchende, haendler, forscher und verfolgte, auch aber diktatorische parteikader, militante und faschisten.

 

der deutsche verein in valparaíso

immer wieder betont man mir gegenueber, wie gut angesehen der deutsche hier ist. verlaesslich, puenktlich, geradlienig, konsequent - eigenschaften, die man oft beim chilenen vermisse. viele wissen deutsche institutionen zu schaetzen. es gibt hier deutsche schulen und sportvereine, deutsches bier, deutsche krankenhaeuser, die deutsche feuerwehr und eine deutsche zeitung. sogar so etwas wie eine reduzierte sozialhilfe gibt es - vom deutschen verein nur fuer deutsche. die wohl staerksten akteure im hafen vor unserer tuer sind deutsche reedereien. „kinder“ und „kuchen“ sind fest verankerte woerter im hiesigen vokabular. vor kurzem bekam ich eine einladung zu einem workshop zum thema gestalttherapie: „el maratón gestaltica“. und nicht zu vergessen all die angesehenen produkte wie baumaschinen und autos, wasserkocher, toaster und lebensmittel aus deutschland.




doch es gibt auch eine ganz duestere seite der deutschen einwanderung. deutsche importierten die famose pickelhaube nach chile und waren als militaerberater hoch geschaetzt. sie gruendeten auch hier eine lokale nsdap und untersagten ihren landsleuten engere beziehungen zu „minderwertigen rassen“, also auch zu chilenen. deutsche unterstuetzten mitunter tatkraeftig pinochets diktatur. und sie fuehrten eine sekte, missbrauchten dabei etliche kinder und traumatisierten reihenweise unfreiwillige mitglieder über jahrzehnte.

so finden sich auch unruehmliche persoenlichkeiten aus deutschland in chile. in einem der gehobenen stadtteile santiagos lebt beispielsweise margot honecker. sie war nicht nur frau des staatsratsvorsitzenden der ddr, erich honecker, sondern auch ministerin fuer volksbildung und damit verantwortlich fuer politisch motivierte inhaftierungen und zwangsadoptionen. nach der wende floh sie ins exil nach chile und zeigt sich bis heute uneinsichtig.

karl werner paulmann wiederum war ueberzeugter nazi in deutschland, politisch wie militaerisch aktiver unterstuetzer des ns-regimes. nach dem krieg floh er nach chile. sein sohn ist horst paulmann, mittlerweile der zweitreichste chilene. ihm gehoert die supermarktkette jumbo, der baumarkt easy, die kaufhauskette paris. vor wenigen jahren liess er den hoechsten skyscraper suedamerikas in der hauptstadt erbauen – das costanera center, in erster linie eine mall. und auch horst paulmann werden ideologische naehe und enge beziehungen zur damaligen diktatur in chile nachgesagt. 

ich traf hier einmal einen chilenen, der vor pinochets dikatur geflohen war und viele jahre in deutschland lebte. nun ist er wieder in chile und geht ab und an mal in diese eine deutsche bar einen trinken. der besitzer habe eine faschistische vorgeschichte. ich stutzte. und er meinte, es ist nicht weiter wild. man muss vergessen koennen.

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