ich tauschte den rauen pazifik mit dem gruen bluehenden leipziger
auenwald, die verrueckte familie gómez mit der besinnlichkeit meines
elternhauses, den empoerten protest auf valparaísos strassen mit kubb-spielenden
studenten in gepflegten deutschen parks. auch die 27 stunden reisezeit konnten mir
diesen krassen kontrast zwischen meiner alten und meiner neuen heimat nicht
verschleiern. diesen fast schon greifbaren gegensatz von einer
wohlstandsgepraegten, abgesicherten und zugleich kritischen deutschen
gesellschaft auf der einen seite, auf der anderen die prekaeren
verhaeltnisse eines von tag zu tag denkenden chilenischen volks mit all seinen kreativen ueberlebenskuenstlern und dem hauch an revolution. fernanda
verglich neulich chile mit einem pubertierenden, unreifen jugendlichen und deutschland mit dem gefestigten, souveraenen pensionaer. sicher verlaufen
entwicklungen von staaten nicht so linear, dennoch trifft es dieses bild ziemlich
gut. und wir, fernanda und ich, befinden uns irgendwo dazwischen, zwischen den stuehlen.
nun liegen sehr intensive, herzliche, lebendige
wochen in deutschland hinter mir, die mir vor allem eines unterstrichen: es gibt dinge im
leben, deren preis kaum zu hoch sein kann, die es schlicht wert sind, fuer die
man lebt. vielen dank euch fuer all diese wundervollen gemeinsamen stunden!
reichlich aufgewuehlt kehrte ich zurueck nach valparaíso.
und empfing mit unsere freundin katrin den ersten exklusivbesuch aus deutschland.
gemeinsam spazieren wir ueber die bunten huegel unserer hafenstadt und durch die
breiten strassen santiagos, feiern geburtstage bei meinen schwiegereltern und widmen
uns der natur. und wir hadern mit dem chilenischen winter bei naechtlichen
temperaturen um den gefrierpunkt und klirrender kaelte in den meist unbeheizten
wohnungen. stueck fuer stueck taucht katrin nun in die sphaeren ein, durch die
sie all die vergangenen neun jahre mit fernanda nur in worten reiste.
vor dem haus der schwiegereltern gómez |
fernanda ackerte uebrigens die letzten wochen eifrig im
kindergarten und hat gerade ferien. eigentlich sollte an dieser stelle ihr
vertrag enden. doch die befristung wurde aufgehoben und so setzt sich fernandas
arbeit bis auf weiteres fort. wenn auch die konditionen des jobs keine wirklich
langfristige perspektive versprechen, so ist ihre anstellung dennoch ein erster
wichtiger schritt fuer uns, auch beruflich in valparaíso fuss zu fassen.
und neben dem berufsalltag wurde fernanda einem ganz
besonderen ereignis zuteil. denn chile gewann die copa america, chile ist
suedamerika-meister! waehrend ich mich fuer einige momente vom anlass meiner
deutschlandreise, der hochzeit in bonn, in einer versteckten ecke verkruemelte
und auf dem handy im livestream die geschehnisse unglaeubig verfolgte, war fernanda
mittendrin. nun. sie goennte sich waehrend des endspiels eine siesta (ich
versteh das immer noch nicht). aber an den feierlichen exzessen konnte sie
schier nicht herumkommen.
fernanda mit der familie ihrer schwester in ihrem heimatviertel la florida in santiago
"... die verlierer-jahre sind vorbei... und ich leugne nicht: weder reizt mich die oper noch die malerei oder die
klassische musik. mich bewegt, genauso wie euch, der fussball, dieses
team..."
fernanda blieb derweil nicht lange auf den strassen. denn so exzentrisch und heiter die stimmung auch ist, das ganze schlaegt viel zu schnell um. einen tag spaeter waren drei tote zu beklagen. zwei starben als opfer eines verkehrsunfalls, ein anderer wurde auf grund seiner bitte um etwas mehr ruhe erschossen. und wer weiss, wie das ganze geendet haette, waere chile als verlierer des finales vom platz gegangen…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen