Dienstag, 21. Juli 2015

zwischen den stuehlen

ich tauschte den rauen pazifik mit dem gruen bluehenden leipziger auenwald, die verrueckte familie gómez mit der besinnlichkeit meines elternhauses, den empoerten protest auf valparaísos strassen mit kubb-spielenden studenten in gepflegten deutschen parks. auch die 27 stunden reisezeit konnten mir diesen krassen kontrast zwischen meiner alten und meiner neuen heimat nicht verschleiern. diesen fast schon greifbaren gegensatz von einer wohlstandsgepraegten, abgesicherten und zugleich kritischen deutschen gesellschaft auf der einen seite, auf der anderen die prekaeren verhaeltnisse eines von tag zu tag denkenden chilenischen volks mit all seinen kreativen ueberlebenskuenstlern und dem hauch an revolution. fernanda verglich neulich chile mit einem pubertierenden, unreifen jugendlichen und deutschland mit dem gefestigten, souveraenen pensionaer. sicher verlaufen entwicklungen von staaten nicht so linear, dennoch trifft es dieses bild ziemlich gut. und wir, fernanda und ich, befinden uns irgendwo dazwischen, zwischen den stuehlen.  

nun liegen sehr intensive, herzliche, lebendige wochen in deutschland hinter mir, die mir vor allem eines unterstrichen: es gibt dinge im leben, deren preis kaum zu hoch sein kann, die es schlicht wert sind, fuer die man lebt. vielen dank euch fuer all diese wundervollen gemeinsamen stunden!

 
reichlich aufgewuehlt kehrte ich zurueck nach valparaíso. und empfing mit unsere freundin katrin den ersten exklusivbesuch aus deutschland. gemeinsam spazieren wir ueber die bunten huegel unserer hafenstadt und durch die breiten strassen santiagos, feiern geburtstage bei meinen schwiegereltern und widmen uns der natur. und wir hadern mit dem chilenischen winter bei naechtlichen temperaturen um den gefrierpunkt und klirrender kaelte in den meist unbeheizten wohnungen. stueck fuer stueck taucht katrin nun in die sphaeren ein, durch die sie all die vergangenen neun jahre mit fernanda nur in worten reiste. 




vor dem haus der schwiegereltern gómez



fernanda ackerte uebrigens die letzten wochen eifrig im kindergarten und hat gerade ferien. eigentlich sollte an dieser stelle ihr vertrag enden. doch die befristung wurde aufgehoben und so setzt sich fernandas arbeit bis auf weiteres fort. wenn auch die konditionen des jobs keine wirklich langfristige perspektive versprechen, so ist ihre anstellung dennoch ein erster wichtiger schritt fuer uns, auch beruflich in valparaíso fuss zu fassen.

und neben dem berufsalltag wurde fernanda einem ganz besonderen ereignis zuteil. denn chile gewann die copa america, chile ist suedamerika-meister! waehrend ich mich fuer einige momente vom anlass meiner deutschlandreise, der hochzeit in bonn, in einer versteckten ecke verkruemelte und auf dem handy im livestream die geschehnisse unglaeubig verfolgte, war fernanda mittendrin. nun. sie goennte sich waehrend des endspiels eine siesta (ich versteh das immer noch nicht). aber an den feierlichen exzessen konnte sie schier nicht herumkommen. 

fernanda mit der familie ihrer schwester in ihrem heimatviertel la florida in santiago

mit dem finalen sieg gegen den sonst so uebermaechtigen nachbarn argentinien im elfmeterschiessen hat chile nun zum ersten mal in seiner geschichte etwas im fussball gewonnen. die bedeutung dieses erfolgs laesst sich nur schwer in worte fassen. deswegen hier ein paar eindruecke aus dem netz...



"... die verlierer-jahre sind vorbei... und ich leugne nicht: weder reizt mich die oper noch die malerei oder die klassische musik. mich bewegt, genauso wie euch, der fussball, dieses team..."

fernanda blieb derweil nicht lange auf den strassen. denn so exzentrisch und heiter die stimmung auch ist, das ganze schlaegt viel zu schnell um. einen tag spaeter waren drei tote zu beklagen. zwei starben als opfer eines verkehrsunfalls, ein anderer wurde auf grund seiner bitte um etwas mehr ruhe erschossen. und wer weiss, wie das ganze geendet haette, waere chile als verlierer des finales vom platz gegangen…

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